An der Geierlay
Gar nicht weit von der alten Heimat entfernt, mitten im wilden Hunsrück, liegt seit etwa anderthalb Jahren Deutschlands längste Hängeseilbrücke, genannt Geierlay. Wie es der Teufel will, verschlug es mich an diesem Wochenende im Rahmen unseres Stammeswochenendes in die Nähe.
Nun ist es ja bekanntlich so, dass ich nicht der größte Fan von größeren Höhen bin. Vor allem, wenn sie wackeln. Mit Hochhäusern habe ich kein Problem - aber beim Gedanken an eine Hängeseilbrücke wird mir schon ein wenig mulmig. So ein Ding überqueren? Eher nicht! Ich erinnere mich noch gut, als ich seinerzeit im Tsingy-Nationalpark auf Madagaskar plötzlich vor einer Hängebrücke stand - und es keinen anderen Weg gab. Meine Beine werden heute noch ein bisschen weich.
Aber kommen wir vom der Insel im indischen Ozean zurück auf das deutsche Mittelgebirge. Ich wusste ja ein bisschen worauf ich mich einließ, als wir morgens losgefahren sind. Und ich hatte mir fest vorgenommen, auch dieses Mal sehr mutig zu sein. Nachdem wir also vom offiziellen Parkplatz mitten im Ort ein ganzes Stück durch das beschauliche Mörsdorf gelaufen sind und auch schon die ersten Meter durch den Wald hinter uns haben, stehen wir dann auf einmal vor der Brücke. Die ist auf den ersten Blick deutlich länger als ich mir das vorgestellt hatte. Rund dreihundersechzig Meter sollen es sein. Der frisch aufziehende Wind macht es mir auch nicht gerade einfacher, mich geistig auf die Überquerung vorzubereiten.
Rüber muss ich trotzdem, es ist neben den lobenden Worten der anwesenden Ingenieure über die Verarbeitung auch ein bisschen der Gruppenzwang, der mich schließlich auf die Brücke treten lässt. Die ersten paar Schritte fallen mir schwer, doch dann gewöhne ich mich an die leichte Schwingung. Wackeln fände ich schlimm, schwingen ist scheinbar ok. Dennoch will ich die ganze Geschichte irgendwie schnell hinter mich bringen. Nachdem ich etwa die Hälfte der Brücke hinter mir habe, ärgere ich mich über mich selbst: Da stehe ich schon mitten in der Aussicht und schaffe es nicht, etwas anderes als meine Schuhspitzen anzuschauen! Ein kleiner Rundumblick ist dann tatsächlich drin, bevor ich mich mit immer sichereren Schritten auf das immer noch ferne Ende zubewege. Ich traue mich sogar einmal, wirklich stehen zu bleiben und ein paar Bilder zurück zu machen.
Am Ende war es dann gar nicht so schwierig, einmal in etwa einhundert Metern Höhe über das Tal zu laufen. Ich bin ein bisschen stolz auf mich. Nach einer kurzen Pause geht es dann aber nicht wieder über die Brücke zurück. Statt dessen nehmen wir einen etwas längeren Weg durch das Tal. Es gibt hier den ein oder anderen Rundweg. Nachdem wir uns durch den Schilderwald im Wald gekämpft haben und auch einen Blick unter die Brücke werfen konnten, beschließen wir unseren kleinen Ausflug mit einem Stück Kuchen im Besucherzentrum. Und ich beschließe, bei nächster Gelegenheit noch einmal über die Brücke zu laufen. Vielleicht auch bei besserem Wetter. Wenn die Wälder ringsum grün sind, lassen sich auch bestimmt noch schönere Fotos machen.