Ein Besuch im Kanzlerbungalow
Auf Wunsch von Fräulein Annas Mutter besuchen wir heute den Kanzlerbungalow im Bundesviertel. Von 1964 bis 1999 wohnten fast alle deutschen Kanzler dort und nutzten das Gebäude auch zum Empfang von Gästen. Immer Sonntags gibt es drei kostenlose Führungen durch das Gebäude. Da die Voranmeldungen immer schon ewig lange vorher gemacht werden müssen, bleibt mir nur eins übrig: Anstehen. Gegen halb eins am Mittag stehe ich an der Informationstheke im Haus der Geschichte an, um uns eine Stunde später in eine Liste eintragen zu können. Wir bekommen einen der auch heute begehrten zwanzig Plätze in einer Führung.
Pünktlich um zwei geht es dann los: Im ströhmenden Regen laufen wir knapp zehn Minuten zum Kanzleramt, dort werden unsere Ausweise kontrolliert und schon sind wir auf dem Weg zum Kanzlerbungalow. Nur ein paar Minuten später steht es dann zwischen den Bäumen vor uns. Das Anfang der sechziger Jahre im Auftrag von Ludwig Erhard in Atrium-Bauweise errichtete Gebäude mit den vielen Glaswänden und den beiden Innenhöfen sieht zwar immernoch modern, aber vor allem auch eher unspektakulär aus.
Sieht man einmal von den vielen "gehabt haben" und "war gewesen" in seinen Sätzen ab, macht unser Führer seine Sache sehr gut. Nachdem wir unsere Schirme und Jacken an der Garderobe zurückgelassen haben, besichtigen wir das Arbeitszimmer der Bundeskanzler und kommen durch den Empfangsbereich des Hauses. Hier gibt es gleich mehrere große Sitzgruppen, deren Designer-Sofas sehr bequem aussehen. Die Couchtische sind aber eher ein Fehlgriff gewesen. Bemerkenswert: An manchen Stellen kann man den Boden hochfahren und so Trennwände schaffen.
Der offizielle Essbereich wird von einem wirklich riesigen Tisch domininiert, um den um die zwanzig Stühle stehen. Unser Führer erzählt die Geschichte von Kanzler Kohl, der den Tisch einmal sehr zur Freude von Frankreichs Präsident François Mitterrand mit deutscher Wurst beladen lies. Man kann sich kaum vorstellen, was die Wände hier alles mitbekommen haben!
Der private Bereich der Kanzlerfamilie ist überraschend unspektakulär und die Zimmer beeindrucken vor allem durch ihre Winzigkeit. Da die Bewohner die große Küche des Hauses nicht benutzen sollten, hat man auf Wunsch von Loki Schmidt eine kleine Teeküche in einer Abstellkammer eingerichtet. In jedem Studentenwohnheim geht es da komfortabler zu.
Nach einer knappen halben Stunde ist unser kleiner Rundgang schon vorbei und wir werden wieder aus dem Gelände geleitet. Am Eingang übernimmt gleich die nächste Gruppe. Der kleine Ausflug hat Spaß gemacht. Nächstes Mal ist dann vielleicht das Kanzleramt dran.