Beach Motel van Cleef
Bis Sankt Peter-Ording ist es ein ganzes Stück. Am Donnerstag Morgen stehen wir zeitig auf, packen die letzten zwei unserer sieben Sachen in die Rucksäcke und steigen in den Zug in Richtung Norden. Unser Ziel ist - richtig - Sankt Peter-Ording, dort findet das erste Beach Motel van Cleef-Festival statt. Das gesamte Beach Motel ist Festival-Gelände, für dieses Wochenende gibt es nur die Kombination "Zimmer und Festivalticket" und an zwei Abenden finden Konzerte von Bands meines Lieblingslabels statt. Das Konzept gefiel mir gleich, als ich davon das erste Mal las. Den ganzen lästige Festival-Quatsch wie "Was nehme ich jetzt mit zum Konzert?", "Brauche ich nachher doch eine Jacke?", "Hoffentlich walzt mir keiner das Zelt nieder!", "Top, das Dixi läuft schon wieder über." könnte man sich ja auch echt sparen. Als wir die Karten im letzten Jahr buchten, hatten wir großes Glück. Schon nach einer knappen halben Stunde war alles ausgebucht.
Die ersten Stunden unserer Zugfahrt sind schnell vorbei. Ich lese, ich schlafe, ich lese und schlafe. Als wir Hamburg erreichen, leert sich der Zug deutlich. Wir strecken die Beine auf unserem Viererplatz aus, machen es uns gemütlich und nutzen das Netflix-Probeabo. Wie praktisch, dass man da auch ganze Folgen herunterladen kann! Nachdem in Itzehoe die Elektrolok des Zuges planmäßig durch gleich zwei Diesel-Modelle ersetzt wurde, gibt kurz darauf auch direkt eine davon den Geist auf. Wir steigen in einen Regionalexpress um - schwupps ist es eine Stunde länger bis zum Zielort. Ein Glück, dass ich mir eine kleine Spotify-Playlist zur Vorbereitung angelegt habe. So ist die Zeit doch gut genutzt.
Wir sind natürlich nicht die Einzigen, die in Sankt Peter-Ording Bad aus der kleinen Bahn steigen. Der scheinbar einzige Taxifahrer der Stadt ist sehr freundlich und bringt alle zu ihren Hotels und schließlich auch uns in der dritten Fuhre dann ans Ziel. Schnell haben wir eingecheckt, unsere Rucksäcke einigermaßen ordentlich im Zimmer explodieren lassen und schon sitzen wir im an das Hotel angeschlossene Restaurant dii:ke zum Abendessen. Einmal Kabeljau und einmal Lachs, sowie zwei Nachtische später sind wir gesättigt.
Erster Urlaubstag: Ich habe es dieses Mal geschafft alle Wecker auszuschalten.Erlebt Ausgeschlafenheitsmartin!
— Martin Schneyra (@schneyra) February 10, 2017
Da ich es am Vorabend geschafft habe, wirklich alle Wecker ausgestellt zu haben, erlebt man an diesem Morgen eine sehr seltene Spezies beim Frühstück: Den Ausgeschlafenheits-Martin! Top, dass man bis zum Mittagessen dort sitzen kann. Wir frühstücken ausführlich, die Auswahl ist für ein Hotel-Frühstück sehr abwechslungsreich.
Dann heißt es: Warm einpacken! Wenn man schon am Meer ist, dann sollte man auch mal danach gucken gehen. Deshalb ergänzen wir unsere Kleidung um einige Schichten und steigen direkt gegenüber auf den Deich. Nach ein paar hundert Metern durch Dühnen und den sehr weiten Sandstrand sehen wir dann nicht so besonders viel vom Meer. Ebbe, Flut und so! Es ist eisig kalt. Der Wind brennt richtig auf den ungeschützten Hautstellen. Wir lassen uns davon aber nicht abhalten und wandern frohen Mutes in Richtung Ort. Die zahlreichen Pfahlkonstruktionen, auf denen teilweise auch Häuschen stehen, wirken bei diesem Wetter und mit den wenigen Leuten am Strand ein bisschen verloren.
Im Café Deichkind kommen wir an Tee und Kuchen und wärmen uns ein bisschen auf. Nach einer kurzen Runde durch den anschließenden Ortsteil wollen wir eigentlich schon wieder zurück gehen, als wir an einem Pfosten vorbeikommen, der auf Knopfdruck Tiergeräusche produziert. Durch ihn werden wir auf das Nationalparkhaus aufmerksam, was nur ein paar Meter weiter im Untergeschoss der Therme zu finden ist. Auch wenn das eigentlich eher für Kinder gemacht ist, vertreiben wir uns dort ein wenig die Zeit und lernen etwas über das Wattenmeer und seine Flora und Fauna.
Wie gut, dass wir nicht direkt zurückmarschiert sind! Kaum, dass wir wieder auf dem Strand stehen, kommt tatsächlich die Sonne noch ein bisschen raus. Das ändert zwar nichts daran, dass ich weiterhin Angst habe, dass mir die Nase abfriert - aber es sieht doch alles gleich ein bisschen freundlicher aus. Ich schieße noch das ein oder andere Foto.
Eine Dreiviertelstunde später sind wir dann auch wieder auf unserem Hotelzimmer und pünktlich zum ersten Konzert um neunzehn Uhr dann auch wieder einigermaßen aufgetaut. Diese Hotel-Konzerte-Kombination ist dann übrigens genau so großartig, wie ich mir das vorgestellt habe: Einfach die Treppe runter, Bändchen zeigen und ich stehe vor der Bühne. Im schlimmsten Fall muss ich ein paar Schritte über den Hof gehen, um die Konzerte im Nebengebäude zu schauen. Jedes Zeltfestival wirkt auf einmal ganz schrecklich unkomfortabel und kompliziert. Dabei haben wir im vergangenen Jahr auf dem Immergut im Backstage-Bereich die bequeme Variante ausprobieren dürfen. Viele andere scheinen das auch so zu sehen, das Publikum ist durch die Bank ein bisschen älter, als ich das von anderen Festivals gewohnt bin. Die eine oder andere Familie hat sich auch dazu gesellt.
Aber kommen wir zur Musik. Heute Abend stehen als erstes Torpus & The Art Directors auf der Bühne. Die gefallen mir auf Anhieb ganz prima und sind sicherlich ein guter Starter für die beiden Abende. Nach einer guten Stunde habe ich das Gefühl, dass meine Vorfreude auf diese Veranstaltung durchaus berechtigt war. Kurz darauf lerne ich Matze Rossi kennen. Fräulein Anna kennt scheinbar eine Band, in der er vor vielen Jahren spielte, mir ist der Mann mit der schicken Mütze (ich trage eine ganz ähnliche) neu. Aber auch sehr sympathisch. Ich mag die Musik sehr.
Der wohl einzige Dämpfer sollte dann Tom Liwa mit The Flowerpornoes sein. Beim Reinhören vorher hatte ich den noch ganz ok gefunden, aber jetzt, wo ich nur zwei oder drei Meter von der Bühne entfernt stehe, werde ich mit dem Sänger und seiner Band leider gar nicht warm. Fortuna Ehrenfeld macht es kurz darauf schon wieder ein bisschen besser, auch wenn es dem Spießer in mir ein bisschen missfällt, dass er sich am Ende ein Bier über den Kopf kippt. Über den Herrn war ich Ende letzten Jahres irgendwie gestolpert und direkt ziemlich begeistert gewesen. Die Texte sind jedenfalls nach meinem Geschmack.
Ungewöhnlich: Trotz 1 Meter 86 Körpergröße in der etwa 6. Reihe sehe ich exakt nichts weil alle vor mir größer sind. #konzertriesen
— Martin Schneyra (@schneyra) February 11, 2017
Den Live-Abschluss bildet an diesem Abend dann Spaceman Spiff. Und der gelingt. In meiner Festival-„Vorbereitung“ war der Sänger irgendwie ein bisschen untergegangen. Mir gefällt auch dieses Konzert ziemlich gut und ich nehme mir vor, mir die Musik des Herrn der „so ein bisschen in die dreißig reingerutscht“ ist, nochmal zu Hause anzuhören. Obwohl mir spätestens jetzt die Füße wirklich ordentlich weh tun und ich einer Amputation nicht ganz abgeneigt wäre, wagen wir noch ein Tänzchen als Christiane Falk, die auch schon durch den Abend moderierte, zur Disko ruft. Und Thees Uhlmann zuzuschauen, wie er bei Tomte-Titeln Tanzbewegungen macht und laut mitsingt ist ja auch schon etwas besonderes. Als wir schließlich ins Bett fallen, geht die Disko weiter: Unser Zimmer liegt direkt über der Tanzfläche.
Der nächste Morgen startet mit einem ordentlich geräderten Martin. Beim Frühstück ist es heute ordentlich voll, ich entdecke auch den ein oder anderen Musiker. Das finde ich überhaupt sehr schön: Bei anderen Veranstaltungen sieht man die Künstler nur auf der Bühne, hier stolpert man ständig über einen. Top! Nachdem wir noch eine Weile auf das fleißigste gegammelt haben, setze ich mir irgendwann den Rucksack auf und laufe noch eine Runde über den Strand. Das ein oder andere Foto will noch gemacht sein. So richtig Spaß macht das aber nicht. Es ist immer noch grau und eisig kalt. Ich bin froh, als ich wieder im warmen Hotelzimmer bin.
Um achtzehn Uhr geht es mit Der Herr Polaris los. Wieder ein guter Start - der ein bisschen darunter leidet, dass ich Hunger habe und die Pommes- und Burger-Küche erst mit Konzertbeginn geöffnet hat. Man braucht nicht zu fragen, wo es uns als erstes hinführt, als das Konzert zu Ende ist. Martin Kelly steht als nächstes vor uns. Er ist Schotte, spielt in der Band von Thees Uhlmann und hat nichts mit der Kelly Family zu tun, wie er uns versichert. Patrick Richardt & Band sind dann ein weiteres Highlight. Den hatte ich vor einigen Jahren schon mal gesehen, dann aber völlig aus den Augen verloren. Das wird mir nun sicherlich nicht mehr passieren.
Matt Wilde und Sönke Torpus unterhalten mich, während ich mit einer Cola am Rand sitze. Meine Füße schmerzen ein klitzekleines bisschen.
Thees Uhlmann unterhält am Ende vor allem eine Bande achtjähriger Kinder in der ersten Reihe. Oder die ihn, das weiß man nicht so genau. Uhlmann steht zunächst alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne, spielt Lieder aus seinem Repertoire und erzählt Geschichten. Dann stößt großartigerweise der versprochene Special Guest in Form von Markus Wiebusch dazu. Nicht nur bei 48 Stunden singt das Publikum fast lauter als die beiden Sänger auf der Bühne. Uhlmann überzieht ordentlich und wird natürlich auch zu einer Zugabe wieder herausgeklatscht.
Nach den Konzerten verläuft sich das Ganze ein bisschen. Uns sagt die Vinyl-Wednesday-Disko nicht so besonders zu. Vielleicht sind alle aber auch genau so müde wie wir. So verschwinden wir bald auf unserem Zimmer und packen schon mal unseren Kram. Das Beach Motel van Cleef ist eine prima Sache und das vermutlich entspannteste Festival was ich bisher erleben durfte. Ich hoffe sehr auf eine Wiederholung im kommenden Jahr - nicht nur, weil Marcus Wiebusch einen Auftritt von Kettcar versprochen hat, sondern vor allem weil die Konzerte so entspannt, das Publikum so überschaubar und der Veranstaltungsort so passend waren.
Und zu guter Letzt: Ein paar Szenen vom Festival, die man freundlicherweise zusammengeschnitten und auf YouTube zur Verfügung gestellt hat.